Medizinrecht – Arzneimittelrecht / Betäubungsmittelrecht / Krankenversicherungsrecht

Historisches
Wohl kaum eine Pflanze kann auf eine derartig turbulente Karriere wie der Hanf zurück schauen. Teilweise werden die ersten Kultivierungen der mit vielen nützlichen Eigenschaften ausgestatteten Hanfpflanzen dem mittleren Osten, teilweise dem fernen Osten zugeordnet. Fest steht, dass er eines Tages seinen Weg in die westliche Welt (gemeint sind hier Europa und die USA) fand. Weder die Europäer noch die USA haben bis heute zu einem rationalen Verhältnis zu dieser Pflanze gefunden. Cannabis Produkte waren bis zu den 20/30er Jahren des 20. Jahrhunderts eines der am häufigsten verordneten Medikamente. Sodann wurden Cannabinoide in den 1930ern sowohl in Europa als auch den USA verbannt. In beiden Kontinenten  angeblich aus wirtschaftlichen Interessen. Soweit Deutschland betroffen ist, wurde das Opiumgesetz des Deutschen Reiches von 1929 in das BtMG (Betäubungsmittelgesetz) überführt Cannabis wurde als „nicht verkehrsfähiges Produkt“ i.S.d. Anlage III zum BtMG eingestuft, womit es auch dem Zugang von Ärzten & Apothekern entzogen war. Dort blieb es denn auch bis zum Jahre 2017.

Kultur, Forschung, Medizin

Neben LSD, MDMA  und anderen Substanzen war auch Cannabis eine der Lieblingsdrogen der Hippie Bewegung die sich als radikalen Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft verstand. Damit einher ging die Verteufelung der Substanz durch den Mainstream der Gesellschaft. Die allseits bei (Missbrauchs-) Konsumenten zu beobachtende Lethargie dürfte den negativen Eindruck verfestigt haben. Auf der anderen Seite freilich standen Beobachtungen, die darauf hindeuteten, dass Cannabis auch heilsame Wirkung hat. Bereits seit Jahrtausenden benutzen Heilkundige die Cannbinoide – also die wirksamen Substanzen des Cannabis – zu medizinischen Zwecken. Rund 50 Jahre nach dem Ende der Hippiekultur schafft es auch die bürgerliche Mitte wieder sich zu entspannen, wenn es um Cannabis geht. In immer mehr westlichen Ländern wird die Substanz zu medizinischen Zwecken freigegeben. Auch in 20 Bundesstaaten der USA ist sie auf ärztliche Verordnung hin erhältlich. In weiteren acht Bundesstaaten zuzüglich der Hauptstadt Washington ist der Konsum ohnehin völlig legal. In Bezug auf psychoaktive Substanzen nehmen die USA bei der Forschung ohnehin eine Vorreiterrolle ein. An der John Hopkins Universität sowie an der Universität von New York wurden Experimente mit Psilocybin zur Behandlung von Depressionen & Angstzuständen durchgeführt. Offenbar mit Erfolg. Der sonst in „Magic Mushrooms“ und hierzulande durch das BtMG verbotene Stoff, führte bei schwer kranken Patienten zu erheblichen Minderungen der Symptome. Auch  LSD und MDMA sind in Erprobung, insbesondere bei PTBS (Posttraumatische Belastungsstörungen).

Rechtsentwicklung der letzten Jahre

BtMG

Zum 10.03.2017  wurde im Bundesgesetzblatt das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften verkündet.

Mit diesem Gesetz wird die Verschreibung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten und Extrakten zu medizinischen Zwecken ermöglicht. Das Gesetz wurde so geändert, dass in Anlage III – dort sind die  verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel aufgelistet – dem nunmehr dem Posten  Cannabis ein Spiegelstrich folgt, der lautet:

„-nur aus einem Anbau, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe erfolgt, …“

Die zuvor benötigte Ausnahmegenehmigung gemäß § 3 Abs. 2 BtMG ist nun nicht mehr erforderlich.  Vielmehr darf Cannabis nunmehr vom Arzt verordnet werden, wenn andere Mittel nicht den gewünschten Erfolg gewährleisten ( näher: § 13 Abs. 1 BtMG). Innerhalb von 30 Tagen darf der Arzt 100.000 mg Cannabis in Form von getrockneten Blüten verschreiben (§ 2 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 2a BtMVV) und der Erwerb von Cannabis aufgrund ärztlicher Verschreibung in einer Apotheke ist nun straflos möglich (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BtMG).

Beim Bundesinstitut für Arzneimittel – welches zuvor für die Einzelfallgenehmigung zuständig war – wurde nunmehr „Cannabisagentur“ gegründet, die bis 2022 einen Kontrollauftrag bzgl. des Cannabisanbaus zu medizinischen Zwecken hat, § 19 Abs.2 a BtMG. Danach wird der GBA (Gemeinsame Bundesausschuss – ein Gremium aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie der Krankenversicherer) über die Ergebnisse der Kontrolle beraten. Allgemein gesprochen entscheidet der GBA über die Aufnahme von Medikamenten in die zu Lasten der GKV verschreibbaren Arzneimittel.

Krankenversicherung

Die Verschreibungsfähigkeit von Cannabis hat der Gesetzgeber im gesetzlichen Krankenversicherungsrecht dann auch noch einmal gesondert geregelt. Im SGB V wurde geregelt, dass Cannabis verschreibungsfähig ist, wenn es keine andere Alternativen gibt, die einen Behandlungserfolg sichern und die Verschreibung von Cannabis Aussicht auf einen Heilungserfolg hat. Darüber hinaus muss der Patient an der – anonymisierten – Begleitforschung teilnehmen (näher dazu: § 31 Abs.5 SGB V). Die Regelung erinnert stark an die Rechtsprechung zum „Off label use“ von Arzneimitteln und zeigt noch einmal den Sonderstatus des Cannabis, Nach den ersten Erfahrungen hier sind die Krankenkassen bemüht, die Kostenübernahme zu verweigern. Auf einen Antrag auf Kostenübernahme durch einen Mandanten erwiderte die angerufene Krankenkasse mit einem fünfseitigen Ablehnungsschreiben. Wie die Sache ausgeht wird noch abzuwarten sein.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Auseinandersetzung über Cannabis und dessen medizinische Verwendung wird als eine kulturelle verstanden. Nur so ist überhaupt erklärbar, dass ein Medikament vor seiner Zulassung nicht das sonst bei Medikamenten übliche Nutzungsbewertungsverfahren durchläuft, sondern gleich eine ganze Reihe gesetzlicher Sonderregeln erfährt.

Die Bandbreite der Krankheiten für die man sich einen Heilungserfolg verspricht ist enorm. Freilich ist die Faktenlage recht dünn. Aufgrund der Historie des Stoffes waren unbefangene Versuche mit dem „Medikament Cannabis“ bisher kaum möglich. Insoweit fehlt es noch in zahlreichen Bereichen an einem Nachweis über die Wirksamkeit. Es sei hier vor allzu viel Euphorie gewarnt. Ebenso wie die Verteufelung durch das bürgerliche Lager überzogen war, dürften die Lobeshymnen durch interessierte Parteien übertrieben gewesen sein. Insoweit erscheint die Einrichtung der Bundesagentur und deren Überwachungsauftrag durchaus sinnvoll zu sein. Innerhalb der nächsten fünf Jahre dürften sich zuverlässige Daten über die medizinische Wirkung der Cannabinoide sammeln lassen. Es ist nicht zu hoffen, aber möglicherweise führt die Evidenzbasierte Medizin dazu. dass der heiße  Rausch der Hoffnung sich legt und kühle Ernüchterung einkehrt.

Björn Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Gießen

Fachanwalt für Medizinrecht, Frankfurter Straße 219, 35398 Gießen, Telefon: 0641 / 97 24 88 11, E-Mail: info@weil-rechtsanwalt.de